Zu Hause bei der Familie


  kaleizette

Das Salz in der Suppe des Festivals
Wie so oft in den vergangenen Jahren waren die Nebenreihen das Salz in der Suppe des Festivals. Hier ist man experimentierfreudiger als im Wettbewerb. 2012 stach besonders die „Semaine de la critique“ hervor, ein Programm, das von Filmkritikern zusammengestellt und präsentiert wird. Tendierte diese Reihe in früheren Jahren zuweilen zu einer gewissen Kopflastigkeit, so war es 2012 eine Freude, die spannenden, intelligent gemachten und zuweilen unter die Haut gehenden Filme des Programms zu erleben. So schildert »God’s Neighbors« (Israel/F 2012) von Meni Yaesch das Treiben einer jüdisch-orthodoxen Jugendgang, die mit brutaler Gewalt ihre vermeintlich religiösen und gottgefälligen Ziele durchsetzt. Komplikationen ergeben sich, als ein Mitglied der Bande sich in eine junge Frau verliebt, deren Liberalität und Toleranz genau die Ideale verkörpern, die die Gang hasst und bekämpft.

»Sofia’s Last Ambulance« (D/Bulgarien/Kroatien) von Ilian Metev ist ein filmisch eher unbedeutender Dokumentarfilm, der aber tiefe Wirkung hinterlässt. Nur 13 Krankenwagen sind in der Millionenstadt Sofia unterwegs. In einem fuhr der Filmemacher mit. Er wurde Zeuge, wie zwei Ärzte und ein Fahrer einen kräftezehrenden Kampf gegen Krankheit und Tod führen: Die Infrastruktur der Metropole befindet sich in einem desolaten Zustand. Unfallopfer müssen stundenlang auf Hilfe warten, nicht wenige überleben die Wartezeit nicht. Höhepunkt des Films ist eine Szene, in der ein dringender Rückruf mit dem Krankenhaus erfolgen muss. Mit wachsender Verzweiflung versuchen die Ärzte, einen Ansprechpartner zu erreichen, doch sie landen immer wieder nur in der Hotline des Krankenhauses – stundenlang.

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Pressefoto zu Sofia’s Last Ambulance (D/Bulgarien/Kroatien)
von Ilian Metev